Von Fußballtrainern, Erbschleichern und ungültigen Testamenten
oder
Warum Notare keine Mediziner ersetzen können!
17.05.2022
Rudi Assauer ist schon seit über drei Jahren tot, aber sein Name steht immer noch in den Schlagzeilen. Leider nicht wegen seiner Erfolge als Fußballer und Trainer, sondern weil nach seinem Tod ein erbitterter Erbstreit unter seinen Töchtern tobt. Was sich liest wie das Drehbuch für einen schlechten Film, ist in unserer Kanzlei bittere Aktenroutine. Leider. Vielen unserer Akten liegt ein zumindest sehr ähnlicher Sachverhalt zugrunde.
Erbschleicherfälle
Da erwirtschaftet jemand ein Vermögen, lebt mehr oder weniger gut und freut sich über mehrere Kinder aus unterschiedlichen Beziehungen. Als er am Ende seines Lebens krank wird, übernimmt eines der Kinder die Pflege und wird – als Entlohnung für die Mühe – testamentarisch als Alleinerbe eingesetzt und zum Generalbevollmächtigten ernannt. Das andere Kind bleibt außen vor. Als sich nach dem Erbfall herausstellt, dass große Vermögensteile fehlen, entbrennt unter den Kindern ein erbitterter Rechtsstreit. Nach außen geht es um Gerechtigkeit und den Verbleib des Vermögens. Tatsächlich vermischen sich aber vermögensrechtliche Interessen mit der Aufarbeitung persönlicher Enttäuschungen. Anwälte tun sich nicht zuletzt deshalb oft schwer, derartige Mandate zur Zufriedenheit der Mandanten zu führen. Paragrafen alleine machen eben die Enttäuschung, vom Vater oder der Mutter zurückgewiesen worden zu sein nicht wett und verbessern auf keinen Fall ein manches Mal jahrzehntelang gestörtes Geschwisterverhältnis.
Was versteht man unter Testierfähigkeit?
Die Frage nach der Testierfähigkeit ist ein heißes Eisen in einem Erbprozess. Unter Testierfähigkeit versteht man die intellektuelle Fähigkeit eines Menschen, die Inhalte eines Testaments geistig zu erfassen und zu wissen, welche rechtlichen Konsequenzen die testamentarischen Anordnungen nach sich ziehen. Entscheidend ist: Die Testierfähigkeit muss zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung vorliegen. Ansonsten ist das Testament unwirksam. Im Normalfall wird die Testierfähigkeit eines Menschen nicht in Frage gestellt. In zweifelhaften Fällen mag das allerdings anders sein. Beispielsweise lassen Vorerkrankungen, wie ein Alzheimer-Befund oder eine vaskuläre Demenz Zweifel über den Geisteszustand des Erblassers zu. Oft wird übrigens erst nach dem Erbfall rückwirkend geprüft, ob ein Erblasser das Testament im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte errichtet hat. Das geschieht dann in der Regel im Rahmen eines psychologisch-neurologischen Medizingutachtens. So war es auch im Fall Rudi Assauer.
Prüfungsmöglichkeiten eines Notars
Wenn manche Rechtsanwälte bei der Prüfung der Testierfähigkeit darauf verweisen, dass es sich bei der im Feuer stehenden letztwilligen Verfügung immerhin um ein notarielles Testament handele und dass der Notar als Krone der juristischen Schöpfung doch geprüft habe, ob der Erblasser in der Lage war, den Inhalt des Testaments zu verstehen, so ist das leider nicht kriegsentscheidend. Notare sind eben Juristen und keine Ärzte. Sie können bereits mangels medizinischer Ausbildung den Mandanten nur vor die Stirn und nicht dahinter gucken. Die Einschätzung eines medizinischen Laien – des Notars – kann also allenfalls Indizien liefern für die Frage nach der Testierfähigkeit, diese aber keinesfalls belegen oder ausschließen. Wer sich also darum sorgt, dass ein (notarielles) Testament im Nachgang nach Eintritt des Erbfalls angegriffen werden könnte, weil behauptet wird, der Erblasser wäre geistig nicht in der Lage gewesen, die Inhalte der Testamentsurkunde zu erfassen, der holt besser bereits zu Lebzeiten des Erblassers ein auf den Tag der Testamentserrichtung taggenaues Gutachten eines Psychologen-Neurologen zur Frage nach der Testierfähigkeit ein. In diesem Fall dürften sich Zweifler nach dem Erbfall schwer damit tun, das Testament nachträglich zu Fall zu bringen. Übrigens: es muss tatsächlich die Einschätzung eines Facharztes sein. Das klassische dreizeilenlange Attest des Hausarztes genügt nicht.
Erbscheinsverfahren
Wie geht es nun weiter im Fall Rudi Assauer? Ein im Rahmen des Erbscheinsverfahrens eingeholtes medizinisches Gutachten ist unlängst zu dem Ergebnis gekommen, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments nicht testierfähig war. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das zuständige Nachlassgericht den Inhalten des medizinischen Gutachtens folgen und das Testament kassieren wird. Natürlich steht es der Tochter von Herrn Assauer in diesem Fall offen, sich durch die Instanzen zu klagen. Die Erfolgsaussichten erscheinen in diesem Fall allerdings bereits jetzt gering. Würde das Testament für unwirksam erklärt, könnte auch die übergangene andere Tochter zur Rechtsstellung einer Miterbin gelangen. In diesem Fall ist anzunehmen, dass sich der Rechtsstreit auch auf die zu Lebzeiten erteilte General- und Vorsorgevollmacht ausdehnen wird. Hier werden die Bevollmächtigten Rede und Antwort stehen müssen dazu, wie sie die Vollmacht zu Lebzeiten des Erblassers eingesetzt und wie sie sein Vermögen verwendet haben. Kann dann nicht nachgewiesen werden, dass die Gelder der Versorgung von Herrn Assauer gedient haben, wird es eng. Es drohen Regress- und Rückzahlungsansprüche in Millionenhöhe.
Sie haben Fragen zur Testierfähigkeit oder zur Wirksamkeit eines Testaments? Sie benötigen Hilfe, Ihre Interessen im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens juristisch durchzusetzen? Rufen Sie uns an. Gerne stehen wir Ihnen mit unserer langjährigen Erfahrung zur Seite.
Unter Testierfähigkeit versteht man die intellektuelle Fähigkeit eines Menschen, die Inhalte eines Testaments geistig zu erfassen und zu wissen, welche rechtlichen Konsequenzen die testamentarischen Anordnungen nach sich ziehen.
Im Rahmen des Erbscheinsverfahrens prüft das Nachlassgericht von Amts wegen, wer Erbe eines Verstorbenen geworden ist. Steht das Ergebnis fest, erteilt das Gericht auf Antrag einen Erbschein. Das Ergebnis kann allerdings von einer höheren Instanz angegriffen werden. Ebenso möglich ist es, das Erbrecht vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Landgericht) prüfen zu lassen. Juristen sprechen in diesem Zusammenhang davon, dass der Erbschein nicht in Rechtskraft erwächst.
Unter einer Vorsorgevollmacht versteht man ein Dokument, mit dessen Hilfe Vertrauenspersonen für den Fall der eigenen Handlungsunfähigkeit wegen Alter, Unfall oder Krankheit als Bevollmächtigte benannt werden können. Eine Vorsorgevollmacht muss bei Immobilien- und/oder Gesellschaftsvermögen in öffentlicher Form errichtet werden. Das bedeutet, sie muss entweder notariell beurkundet oder beglaubigt worden sein.