Testamentserrichtung – keine Kopie ist so gut wie das Original
17.11.2021
Es scheint ein ureigenes Bedürfnis vieler sorgfältiger Deutschen zu sein, wichtige Unterlagen (am besten gleich mehrfach) zu kopieren oder zu scannen und in Ordnern abzulegen. Oft stellen Mandanten genau diese Frage auch am Ende eines Testamentsmandats: „Bevor wir das Testament in die amtliche Verwahrung geben, dürfen wir doch bestimmt Kopien für uns und die Kinder fertigen, oder?“ Als im Erbrecht erfahrener Jurist zögert man an dieser Stelle mit einer Antwort.
Testamentskopien haben Beweiswert im Erbscheinsverfahren
Natürlich ist das Bedürfnis nachvollziehbar, ein Duplikat der Urkunde zurückzubehalten, wenn schon das Original in den Archiven eines Amtsgerichts auf nimmer Wiedersehen oder zumindest bis zum Eintritt des Erbfalls verschwindet. Gleichwohl können Testamentskopien für viel Durcheinander sorgen in einem Erbscheinsverfahren. Problematisch wird es nämlich dann, wenn Streit über die Wirksamkeit des in Frage stehenden Testaments besteht. Auch der Kopie eines Testaments kann nämlich ein Beweiswert zukommen. Das mag dann richtig sein, wenn das das Original versehentlich abhanden gekommen und nicht mehr auffindbar ist. Führt man sich zeitgleich allerdings vor Augen, dass es nahezu unmöglich ist, dass ein amtlich hinterlegtes Testament unabsichtlich verloren geht, entzieht man der Anfertigung einer Testamentskopie argumentativ jede Grundlage. Wurde das Testament vom Erblasser absichtlich vernichtet und damit widerrufen, besteht ebenfalls kein Grund mehr dafür, eine Kopie anzufertigen. Warum auch, wenn doch eben gerade das in Frage stehende Testament gar nicht mehr gelten soll?
Viele Gerichtsentscheidungen zum Thema Testamentskopie
In Deutschland existiert eine breit gefächerte Judikatur rund um das Thema Testamentskopie. In einer unlängst ergangenen Entscheidung des OLG Rostock vom 19.03.2021 (Az. 3 W 13/18) sah es das Gericht als erwiesen an, dass ein Ehegattentestament, auf dem die Unterschrift der verstorbenen Ehefrau mit Tipp-Ex geweißt war, dennoch gültig war. Der Ehemann, der mit dem Sohn der Verstorbenen im Streit über die Erbfolge lag, konnte im Rahmen des Erbscheinsverfahrens nämlich eine Testamentskopie vorlegen, auf der die Unterschrift der Ehefrau unter der Urkunde erkennbar war. Danach ging das Gericht davon aus, dass das Testament weiterhin gültig war. Alleinerbe wurde der Ehemann. Der Sohn ging leer aus.
Testamentswiderruf: wie macht man’s richtig?
Das Gericht diskutierte in seiner Entscheidung auch Fragen eines ordnungsgemäßen Testamentswiderrufs. In der zitierten Entscheidung war bereits fraglich, ob die Mutter selbst ihre Unterschrift geweißt hatte und ob ihr tatsächlich ein Widerrufswille zugestanden werden musste. Unabhängig von der Entscheidung des OLG Rostock dürfte es richtig sein, ein Testament für den Fall, dass man an seinem Inhalt nicht mehr festhalten will, insgesamt zu vernichten. Das funktioniert bei amtlich hinterlegten Urkunden zum Beispiel per Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung. Eine Besonderheit gilt bei Ehegattentestamenten und Erbverträgen: diese können nur dann widerrufen werden, wenn beide Erblasser bzw. die Erbvertragsbeteiligten den Widerruf ebenfalls gutheißen. Bei Uneinigkeit muss der Widerruf in öffentlicher Form erfolgen (also notariell beurkundet sein) und dem anderen zugehen.
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Ein Testament kann widerrufen werden, indem man es vernichtet, indem man es aus der amtlichen Verwahrung zurückholt oder indem man ein neues, inhaltlich abweichendes Testament errichtet. Ehegattentestamente können nur von beiden Eheleuten gemeinschaftlich widerrufen werden. Will nur einer einen Widerruf erklären, muss dieser notariell beurkundet werden und ihm zugehen. Dasselbe gilt für Erbverträge, es sei denn, ein Rücktritt wurde in der Urkunde ausgeschlossen.
Der Erbschein ist die erbrechtliche Legitimation, Rechtsnachfolger der Verstorbenen geworden zu sein. Der Erbschein ist quasi der Führerschein des Erbrechts. Wer einen Erbschein besitzt, kann seine erbrechtliche Legitimation im Rechtsverkehr nachweisen.
Im deutschen Zivilrecht gilt ein zweigliedriges System: Streitigkeiten über die Erteilung des Erbscheins werden vor den Amtsgerichten ausgestritten. Parallel besteht aber auch die Möglichkeit der Erhebung einer Feststellungsklage zum Landgericht. Die Entscheidung des Landgerichts ist dann für das Amtsgericht maßgeblich. Das liegt daran, dass der Erbschein nicht in Rechtskraft erwächst.