RDS Kanzlei - Fachanwälte für Erbrecht und Familienrecht

Der Pflichtteil: Ein bissel was geht immer

07.02.2022

Es ist ein eherner Grundsatz des deutschen Erbrechts, dass die nächsten Verwandten im Erbfall – von wenigen Ausnahmen abgesehen – nicht gänzlich rechtlos gestellt werden dürfen. Das Gesetz garantiert den Enterbten eine Mindestteilhabe am Nachlass: den Pflichtteil.

Das sieht so nicht jede Rechtsordnung vor. Hierzulande findet der Pflichtteil seine Berechtigung jedoch in nichts Geringerem als dem Grundgesetz: Kinder, Ehegatten und (wenn auch nachrangig) die eigenen Eltern haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, am Nachlass beteiligt zu werden. Das gilt auch dann, wenn sie nach dem Willen des Erblassers eigentlich leer ausgehen sollten.

Enterbung per Testament

Aus dem soeben genannten Personenkreis ist derjenige pflichtteilsberechtigt, der durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen, also enterbt wurde. Aber auch derjenige, der zu wenig bekommt, kann unter gewissen Voraussetzungen Pflichtteilsrechte geltend machen.

Pflichtteilsanspruch - Berechnung

Die gesetzliche Pflichtteilsquote am Nachlass beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, den das Gesetz, genauer die §§ 1924-1936 BGB, bestimmen.

Maßgeblich ist insoweit immer die Familienstruktur im Einzelfall: Bei einer Musterfamilie bestehend aus einem Ehepaar mit zwei Kindern, würde sich – sofern die Eltern in Zugewinngemeinschaft verheiratet sind – beim Ableben des einen Ehepartners ein gesetzlicher Erbteil von einem Viertel für jedes der beiden Kinder, also ein Pflichtteil von je einem Achtel ergeben, sofern der überlebende Ehegatte zunächst alles allein erbt.

Berliner Testament - Systemschwächen

Ein Pflichtteil für die Kinder entsteht typischerweise dann, wenn die Ehegatten ein sog. Berliner Testament errichten. Die Enterbung der eigenen Kinder bei Versterben des ersten Elternteils ist damit die Regel, auch wenn sie als solche oft gar nicht verstanden wird:

Denn während die „Enterbung“ des zur Verschwendungssucht neigenden Problemkinds, das seine Ambitionen grundsätzlich nur am Roulette-Tisch zeigt, noch einleuchten mag, passt sie nach herkömmlichem Begriffsverständnis so gar nicht ins Konzept, wenn zwei Eheleute im Vertrauen auf ein gutes Miteinander ein Testament verfassen, das alle Kinder letzten Endes gleich berechtigen soll.

Das Pflichtteilsrecht macht jedoch keinen Unterschied zwischen einer „gut gemeinten“ Enterbung zur Absicherung des überlebenden Ehegatten und derjenigen des Familien-Taugenichts.

Pflichtteilsanspruch - Rechte einfordern

Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner, ab Verzug verzinslicher Zahlungsanspruch. Um diesen im konkreten Einzelfall bemessen zu können, stehen dem Berechtigten Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche gegenüber dem bzw. den Erben zu.

Die Auskunft wird in der Praxis regelmäßig durch Übermittlung eines Nachlassverzeichnisses erteilt. Bestehen Zweifel an dessen inhaltlicher Richtigkeit, kann die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gefordert werden. Falschangaben werden damit strafbar. Zudem kann der Pflichtteilsberechtigte die Anfertigung des Verzeichnisses durch den Notar einfordern.

Sind Werte von Nachlassbestandteilen im Einzelnen unbekannt oder streitig, müssen Sachverständigengutachten zur Wertermittlung auf Kosten des Nachlasses eingeholt werden. Im Zweifel wird der Wert dann geschätzt. Eine eigene Wertbestimmung des Erblassers ist nicht verbindlich.

Pflichtteils­ergänzungs­anspruch bei Schenkungen

Sofern der Erbe bereits zu Lebzeiten Geschenke vom späteren Erblasser erhalten hat, ist darüber ebenfalls Auskunft zu erteilen. In diesen Fällen steht dem Berechtigten möglicherweise ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu, wonach der verschenkte Gegenstand dem Nachlass wertmäßig wieder zugeschlagen wird. Damit soll verhindert werden, dass der Pflichtteilsanspruch nicht schon zu Lebzeiten „durch die Hintertür“ geschmälert werden kann.

Je nachdem, wie die Schenkung ausgestaltet wurde, an wen und wann sie erfolgt ist, kann der Wert auch nur teilweise anzurechnen sein. Das Gesetz sieht unter bestimmten Voraussetzungen vor, Schenkungswerte innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren „abzuschmelzen“. Hat der Pflichtteilsberechtigte hingegen selbst Schenkungen erhalten, sind diese, auf den Ergänzungsanspruch immer, auf den regulären Pflichtteilsanspruch nur dann anzurechnen, sofern dies zuvor vereinbart wurde.

Man kann es schon erahnen: Der Teufel liegt hier im Detail und ist in der Praxis Einfallstor für diverse, langwierige Streitigkeiten. Absolute Rechtssicherheit bietet nur der notariell beurkundete Pflichtteilsverzicht.

Streit vorbeugen

Die rechtlich zulässige Forderung des Pflichtteils wird indes nicht selten zum emotionalen, aber auch wirtschaftlichen Problem für die Beteiligten:
Sind keine liquiden Mittel im Nachlass enthalten, kann die Pflichtteilsforderung vom Erben nur über die Veräußerung von gebundenen Vermögenswerten, schlimmstenfalls der eigenen Wohnimmobilie, erfüllt werden. Wurde für den Fall der Pflichtteilsforderung keine Vorsehung im Testament getroffen, etwa durch eine sog. Pflichtteilsstrafklausel, so erbt der bereits einmal „ausgezahlte“ Pflichtteilsberechtigte im zweiten Erbfall unbeschadet dessen erneut. Die ursprünglich bezweckte gerechte Verteilung des Nachlasses im Schlusserbfall wird damit unmöglich.

Auf der anderen Seite kann die Forderung des Pflichtteils aber durchaus von berechtigten Interessen getragen und ratsam sein: Besteht die Gefahr, dass das Vermögen bis zum Schlusserbfall unsachgemäß verwendet oder verschwendet wird, steht eine Wiederheirat im Raum oder besteht akuter Finanzbedarf aufgrund der eigenen Lebensumstände?
So banal wie wahr: Nichts bleibt, wie es ist und Menschen ändern sich. Mit den Instrumenten des erbrechtlichen Werkzeugkastens lassen sich dennoch interessensgerechte Lösungen finden.

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Was versteht man unter Pflichtteil?

Der Pflichtteil ist die verfassungsrechtlich garantierte Mindestteilhabe am Nachlass. Er ist ein reiner Geldanspruch in Höhe der Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Pflichtteilsberechtigt sind der Ehegatte, die Abkömmlinge und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Eltern des Erblassers.

Was bedeutet Pflichtteil im Berliner Testament?

Im Rahmen eines Berliner Testaments setzen sich Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein. Die Kinder sind damit beim ersten Erbfall enterbt und haben Anspruch auf den Pflichtteil. Eine Pflichtteilsstrafklausel schützt den Erben vor der Geltendmachung dieses Anspruchs.

Welche Ansprüche hat ein Pflichtteilsberechtigter?

Neben dem Zahlungsanspruch sieht das Gesetz für den Pflichtteilsberechtigten auch vorbereitende Hilfsansprüche vor. Diese umfassen Auskunft und Wertermittlung. Verpflichtet ist in der Regel der Erbe. Unter bestimmten Umständen hat der Pflichtteilsberechtigte auch einen Anspruch auf eidesstattliche Versicherung der Angaben.