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Das Supervermächtnis - Der Superheld unter den Vermächtnissen

22.06.2022

Die meisten unserer Mandanten bewegen bei der Planung ihrer erbrechtlichen Vermögensnachfolge zwei Motivationspunkte: kein Streit und keine Steuern. Streit entsteht häufig dann, wenn die gesetzliche Erbfolge eintritt und Erbengemeinschaften entstehen. Dem kann mit der Errichtung eines Berliner Testaments entgegengewirkt werden. Danach setzen sich Ehegatten wechselseitig beim ersten Erbfall zu Alleinerben ein. Erst bei Eintritt des zweiten Erbfalls werden die Kinder zu Schlusserben bestimmt. Leider birgt das Berliner Testament eine Steuerfalle: Wenn beim ersten Erbfall die Kinder übergangen werden, gehen gleichzeitig auch deren Erbschaftsteuerfreibeträge nach dem erstverstorbenen Ehegatten verloren. Sich deswegen vom Ehegattentestament in der Ausgestaltungsform des Berliner Testaments gänzlich abzuwenden, muss allerdings nicht sein. Es gibt eine Lösung, die die steuerlichen Nachteile aus dem Weg räumt: das Supervermächtnis, auch Steuervermächtnis genannt.

Was genau ist der Sinn eines Supervermächtnisses?

Mit Hilfe eines Supervermächtnisses können die steuerlichen Mängel des Testaments behoben werden. Das funktioniert wie folgt: Der überlebende Ehegatte wird nicht nur Alleinerbe, sondern er erhält vom Erstversterbenden zusätzlich eine testamentarische Jokerkarte: Die Person hat dann die Freiheit, Vermächtnisse, die bereits beim ersten Erbfall fällig werden, an die als Schlusserben eingesetzten Kinder zu erfüllen. Mit Hilfe dieser Vermächtnisse können die steuerlichen Nachteile, die den Kindern sonst nach dem erstversterbenden Erblasser entstehen würden, korrigiert werden. Schließlich wird das Vermächtnis der Kinder in erbschaftsteuerlicher Hinsicht dem Erstverstorbenen zugerechnet und die Freibeträge der Kinder damit angesprochen.

Unterschied zwischen Berliner Testament und Supervermächtnis

Die Begriffspaare "Berliner Testament" und "Supervermächtnis" schließen einander nicht aus. Vielmehr ist ein Supervermächtnis Bestandteil eines Berliner Testaments. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Unterschied zwischen einem Erben und einem Vermächtnisnehmer.
Während juristische Laien die Formulierungen erben, vererben und vermachen häufig synonym verwenden, versteht ein Rechtsanwalt hierunter etwas völlig anderes. Das BGB legt folgendes fest:

  • Ein Erbe ist Rechtsnachfolger des Verstorbenen. Er tritt in seine Fußstapfen und übernimmt den Nachlass mit allen Rechten und Pflichten.
  • Ein Vermächtnisnehmer hat demgegenüber lediglich einen Anspruch auf einen bestimmten Nachlassgegenstand. Er steht regelmäßig außerhalb des Nachlasses. Das Vermächtnis macht der Vermächtnisnehmer gegenüber dem Erben geltend.

Beim Supervermächtnis liegt der besondere Zweck in der optimalen Ausreizung der erbschaftsteuerlichen Freibeträge, die sonst beim Tod des erstverstorbenen Ehegatten verloren gehen würden. Man spricht deshalb im Zusammenhang mit dieser Art von Vermächtnis auch von einem Zweckvermächtnis.

Was sollte ein Supervermächtnis beinhalten?

Bei der Ausformulierung eines Supervermächtnisses sollte dessen genauer Zweck festgelegt werden. Der Zweck des Vermächtnisses liegt in der Optimierung der erbschaftssteuerlichen Situation der Kinder nach dem erstverstorbenen Ehegatten. Weiter wird der Kreis derjenigen Personen, die Vermächtnisnehmer sein sollen, im Testament definiert. Zumeist sind das die Kinder und Enkelkinder des Erblassers. Womit das Vermächtnis erfüllt wird - Geld, Immobilien oder Gesellschaftsanteile - muss nicht bestimmt werden. Hier darf der überlebende Ehepartner unter Berücksichtigung seines eigenen Versorgungsinteresses frei wählen. Ebenso frei ist der überlebende Ehepartner bei der Bestimmung, welches Kind oder Enkelkind aus dem im Testament festgelegten konkreten Kreis der Vermächtnisnehmer etwas erhält.
Selbst der Zeitpunkt der Erfüllung kann vom überlebenden Ehegatten weitestgehend frei bestimmt werden. Es ist wichtig, das Supervermächtnis im gemeinschaftlichen Testament festzuhalten. Fehlt es, können die Freibeträge der beim Tod des Erstverstorbenen juristisch enterbten Kinder regelmäßig nur noch über eine taktische Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen in Anspruch genommen werden. Problematisch ist hierbei allerdings, dass der Pflichtteil konkret berechnet werden muss. Das Steuervermächtnis ist im Vergleich mit der Geltendmachung des Pflichtteils in seiner Handhabung deutlich flexibler für den überlebenden Ehegatten.

Funktionsweise des Supervermächtnisses im Erbfall

Ein Beispiel:
Das Ehepaar Vinzenz und Maria haben zwei Kinder, Albert und Brigitte. Sie verfügen über folgendes Vermögen:

  • Reihenhaus, selbstgenutzt, hälftiges Miteigentum, Verkehrswert insgesamt: 1 Mio EUR,
  • Eigentumswohnung, vermietet, Alleineigentum der Ehefrau, Verkehrswert: 600.000 EUR,
  • Kontenvermögen, gleichmäßig verteilt unter den Eheleuten in einem Umfang von 800.000 EUR.

Das ehegemeinschaftliche Vermögen umfasst also 2,4 Mio. EUR.

Für dieses Beispiel berechnen wir die Erbschaftssteuer anhand eines Berliner Testaments OHNE und MIT Supervermächtnis:

Erbschaftssteuer im Rahmen eines Berliner Testaments ohne Steuervermächtnis

Maria hat ihren Mann Vinzenz im Rahmen eines Berliner Testamentes zum Alleinerben nach ihrem Tod eingesetzt. Die Kinder sollen nach dem zweiten Erbfall zu gleichen Teilen Schlusserben werden.
Vinzenz erbt also einen 50% Miteigentumsanteil am selbstgenutzten Reihenhaus (500.000 EUR), die Eigentumswohnung (600.000 EUR) und die Hälfte des Kontenvermögens (400.000 EUR).
Vinzenz kann das sog. Familienheimprivileg für sich in Anspruch nehmen, da er das Familienheim weiter nutzt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG). Ohne Berücksichtigung weiterer Steuervergünstigungen, muss er abzüglich seines Erbschaftsteuerfreibetrags (= 500.000 EUR) folgenden Betrag versteuern:

 

600.000 EUR EW
+ 400.000 EUR Kontovermögen
= 1 Mio EUR
– 500.000 EUR Erbschaftssteuerfreibetrag
= 500.000 EUR zu versteuernder Betrag

 

Darauf entfallen laut Steuerklasse I und Tarif (15%) = 75.000 EUR Erbschaftsteuer.

Verstirbt dann Vinzenz und nimmt man an, er gibt die vollen 2,4 Mio EUR an seine Kinder beim zweiten Erbfall weiter, so ergibt sich folgender Sachverhalt: Es entfällt auf jedes Kind abzüglich des Erbschaftsteuerfreibetrags von 400.000 EUR ein Erwerb von Todes wegen in Höhe von 800.000 EUR:

 

2,4 Mio EUR Gesamtvermögen
– 800.000 EUR Erbschaftssteuerfreibetrag
= 1,6 Mio EUR zu versteuernder Betrag
(/2 = 800.000 EUR)

 

Laut Steuerklasse I und Tarif (19%) muss jedes Kind demnach 152.000 EUR Erbschaftsteuer bezahlen. Die Gesamtsteuerlast der Familie liegt damit bei 379.000 EUR (2 x 152.000 EUR + 75.000 EUR).

Erbschaftssteuer mit Supervermächtnis

Hätte das Testament der Eheleute ein Steuervermächtnis vorgesehen, hätten die beiden Kinder zusätzlich ihre Steuerfreibeträge nach der erstverstorbenen Mutter ausnutzen und damit weitere insgesamt 800.000 EUR (2x 400.000 EUR) Freibetrag in Anspruch nehmen können. Das hätte auf Seiten des erbenden Vaters den Erwerb von Todes wegen entsprechend auf 200.000 EUR reduziert:

 

1 Mio EUR Erbe, das an den Vater übergeht
- 800.000 EUR Steuerfreibeträge der Kinder
= 200.000 EUR Erwerb von Todes wegen

 

Ein Erwerb von 200.000 EUR fällt unter die Freibetragsgrenze des Längerlebenden (500.000 EUR) und ist steuerfrei. Der als Erbe eingesetzte Vater hätte sodann bei seinem eigenen Erbfall lediglich noch 1,6 Mio EUR (2,4 Mio EUR - 800.000 EUR) an die Kinder vererbt. Jedes Kind hätte damit abzüglich seines väterlichen Freibetrags lediglich noch 400.000 EUR versteuern müssen:


1,6 Mio EUR Erbvermögen / 2 Kinder = 800.000 EUR
- 400.000 EUR Freibetrag
= 400.000 EUR zu versteuernder Betrag

 

Darauf entfallen laut Tarif 15% und somit 60.000 EUR Steuerlast. Die Gesamtsteuerlast liegt damit nur noch bei 120.000 EUR. Nutzt der längerlebende Vater seine ihm von der Erblasserin eingeräumte Freiheit, den Vermächtnisinhalt und die Personen aus dem Kreis der Vermächtnisnehmer frei zu bestimmen, kann die Steuerlast sogar noch weiter reduziert werden.
Beispielsweise könnte der Vater die Eigentumswohnung unter Vorbehalt von Nutzungsrechten auf ein Kind übertragen. Vorbehaltene Nutzungsrechte sind nämlich weitere Abzugspositionen, die vom steuerlichen Erwerb abgezogen werden dürfen. Genauso denkbar wäre es, Übertragungen an Enkelkinder vorzunehmen und zusätzlich deren Steuerfreibeträge in Höhe von weiteren jeweils 200.000 EUR nach jedem Großelternteil in Anspruch zu nehmen. Eine kluge testamentarische Gestaltung führt im Beispielsfall zu einer vollständigen Vermeidung der Erbschaftsteuer.

Rechtliche Anerkennung des Supervermächtnis

Das Steuervermächtnis wird erbrechtlich und steuerrechtlich anerkannt. Vorgaben macht das Steuerrecht allerdings in zeitlicher Hinsicht: Die Zeit, die dem Längerlebenden nach dem Tod des Erblassers zur Ausübung des Bestimmungsrechts zur Verfügung steht, liegt in seiner eigenen statistischen Lebenserwartung zum Zeitpunkt des Todes des Erstverstorbenen.

Fazit

Das Supervermächtnis kann gerade in strukturstarken Regionen wie München und dem Münchener Umland und den damit verbundenen hohen Nachlasswerten gigantische steuerliche Effekte haben. Wer die Optionen des BGB einer vorausschauenden testamentarischen Planung nicht nutzt, verschenkt unnötig hohes Freibetragspotential. Das kann im schlimmsten Fall zur Zerschlagung von hart erwirtschafteten Vermögenswerten führen.
Wir als Ihre Anwaltskanzlei für Erbrecht in München verfügen über langjährige Erfahrung bei der Gestaltung von Testamenten mit Steuervermächtnissen. Wir beraten Sie gerne in allen steuerlichen Fragen bei einem Erbfall.

Bild: Pixabay / Alexas_Fotos